Beethoven in Tirol besuchen

Passionsspielhaus in Thiersee
Das Passionsspielhaus in Thiersee. Hier finden im Frühsommer auch Konzerte der Tiroler Beethoven-Tage statt. © Foto: Meike Nordmeyer

Die hohen Gräser wiegen sich im milden Wind an diesem warmen Sommerabend, die Grillen zirpen, ein Ruderboot zieht langsam seine Bahnen auf dem See, Jugendliche springen johlend von einem Holzsteg ins Wasser. Ich stehe neben dem Passionspielhaus in Thiersee und genieße den Ausblick auf die Szenerie. Schöner könnte ein Konzertsaal wohl kaum gelegen sein. Das Passionspielhaus dient an diesem Abend wieder als ein Veranstaltungsort für die Tiroler Beethoven-Tage. Kaum mag ich mich losreißen von meinem Standpunkt auf der Sommerwiese. Aber ich weiß ja, dass es sich lohnt, nun doch hineinzugehen. Ludwig van Beethovens 8. Sinfonie und Franz Schuberts Große Sinfonie in C-Dur, ebenfalls Nr. 8, stehen an diesem Abend auf dem Programm. Es spielen die K&K Philharmoniker unter der Leitung von Georg Kugi. Ich freue mich schon den ganzen Tag auf die Musik. Nach einem Ausflug von Kufstein aus auf die Aschinger Alm, also einem Tag mit frischer Bergluft, Bewegung und Genuss, bietet das Konzert nun einen feinen Abschluss für heute.

Thiersee Passionsspielhaus
In der Konzertpause genießen auch die Musiker unten vor dem Passionspielhaus die milde Sommerluft. © Foto: Meike Nordmeyer

Zum Auftakt des Konzertes gibt es auf dem Platz vor dem Passionsspielhaus ein stattliches Vorprogramm. Die örtliche Blaskappelle spielt auf, zünftig gekleidet in Tracht, zu der Lederhosen, leuchtend blaue Kniestrümpfe und natürlich Tirolerhüte gehören. Die bereits versammelten Konzertbesucher lauschen erfreut und begeben sich dann fröhlich gestimmt in das Festspielhaus. Ich stehe noch einen Moment auf der Wiese, halte das Gesicht nochmal in die Sonne und gehe dann ebenfalls am Seiteneingang hinein. Der Saal ist bis auf den letzten Platz besetzt bei diesem großen Eröffnungskonzert der Beethoven-Tage. Die K&K Philharmoniker spielen frisch und zupackend, insbesondere die Holzbläser lassen mit fein konturierten Sequenzen aufhorchen. Die Sinfonie von Schubert erklingt im zweiten Teil des Konzertes noch vielschichtiger musiziert als zuvor der Beethoven. Das Publikum dankt mit begeistertem Applaus für das anspruchsvolle Konzert. Nach der Aufführung ist es draußen immer noch hell und mild an diesem Tag Ende Mai. Die Grillen erweisen sich als unermüdlich in ihrer ratschenden Art von Tonkunst. In mir klingt noch die facettenreiche Musik des Orchesters nach. Wohlig erfüllt von den Erlebnissen des Tages fahre ich mit dem Shuttle-Bus zurück nach Kufstein.

Mit den Beethoven-Tagen in der Region Kufstein können Fans der klassischen Musik nicht nur in Bonn, sondern auch in Tirol eine Veranstaltungsreihe in Namen des großen Komponisten erleben. Im Vergleich zum wesentlich umfangreicheren Beethovenfest in Bonn, das immer im Herbst in der Geburtsstadt des Musikers stattfindet, ist die Tiroler Variante weniger bekannt. Doch sie hat auch einen besonderen Reiz. Denn die Veranstaltungswoche bietet die Gelegenheit zu sommerlichen Urlaubstagen, in denen sich das Landschaftserlebnis mit dem Musikgenuss verbinden lässt. Ebenso wie in Bonn wird auf den Tiroler Beethoven-Tagen nicht ausschließlich die Musik des namengebenden Komponisten gespielt, auch Werke anderer Tonkünstler stehen auf dem Programm. Neben Sinfoniekonzerten ist zudem auch Kammermusik zu hören. Die Konzerte sind auf verschiedene Veranstaltungsorte in der Region verteilt. Als Urlauber quartiert man sich am besten in Kufstein ein. Die sehenswerte Festungsstadt am Inn ist ein guter Ausgangspunkt für Besichtigungen, Wandertouren und Ausflüge in die Umgebung. Und auch bei Anreise ohne Auto ist die Erreichbarkeit der Veranstaltungen in den umliegenden Orten kein Problem. Denn ein Shuttle-Bus bringt die Besucher bequem zu den Konzerten.

Alpengasthof Aschinger Alm
Inhaber Gerhard Ritzer vor seinem Alpengasthof Aschinger Alm. Stolz ist er auch darauf, dort eine Almkäserei zu führen. Die grüne Ecke, neben der er steht, ist der üppige Kräutergarten, der sich als lehrreich erweist, da er gut beschildert ist. © Foto: Meike Nordmeyer

Ausflug auf die Aschinger Alm

Flausch auf der Alm
Gasthof mit Flauschfaktor: Zwei von vier jungen Kätzchen machen ein Päuschen vom Toben und kuscheln sich aneinander. © Foto: Meike Nordmeyer

Tagsüber ist Zeit für diverse Ausflüge in die Umgebung, beispielsweise zum Almgasthof Aschinger Alm oberhalb der Ortschaft Ebbs. Der Gasthof mit großer Sonnenterrasse ist von Kufstein in etwa 20 Minuten mit dem Auto zu erreichen. Er bildet einen guten Ausgangspunkt für einen Spaziergang auf einem etwa 45 minütigen Rundweg oder auch zu ausgiebigen Wanderungen. Die Terrasse bietet bei klarem Wetter einen Ausblick auf den Walchsee, den Zahmen Kaiser und die umliegende Bergwelt. Und dabei gibt es einiges zu genießen: Inhaber Gerhard Ritzer und sein Team servieren hausgemachten Alpenkäse und andere regionale Spezialitäten wie Schlutzkrapfen, Kasspätzle oder auch Ochsenfleisch und Wild aus umliegender Jagd. Im zugehörigen Bauernladen können die Besucher den Almkäse des Hauses, Tiroler Speck und andere regionale Produkte zum Mitnehmen einkaufen. Ein lohnendes Ziel also für einen Ausflug.

Zu alledem habe ich an diesem Tag im Mai ganz besonderes Glück. Ich darf herumkommen zur kleineren, hinteren Terrasse des Gebäudes. Dort tummeln sich vier quietschfidele, extrem niedliche Katzenbabys unter der gelassenen aber aufmerksamen Beobachtung ihrer Mutter. Ich bin hingerissen und kann gar nicht aufhören, den kleinen Wesen beim Tollen und Schmusen zuzuschauen und natürlich jede Menge Fotos zu machen. Deswegen bekommt auch dieser Beitrag mit einem Katzenbild eine Portion Flauschcontent.

Rathaus von Kufstein
Aus dem 16. Jahrhundert stammend oder noch älter: das Alte Rathaus in Kufstein. © Foto: Meike Nordmeyer

Holunderblüten-Eis und Dichtkunst in Kufstein

Zurück in Kufstein nutze ich die Zeit am Nachmittag für einen Bummel durch das Städtchen. Ich schlendere über den langgestreckten Stadtplatz, vorbei am Alten Rathaus, ein Gebäude, das bereits im 16. Jahrhundert erwähnt wurde. Die Fassade und der prächtige Treppengiebel mit Wappengalerie heben sich markant vor dem knatschblauen Sommerhimmel ab. Ein paar Schritte weiter, am unteren Stadtplatz fällt mir der große Andrang auf, der an “Udos Eisparadies” herrscht. Davon lasse ich mich gerne anlocken. Von der Sorte Holunderblüte bin ich hingerissen. Ich schrieb bereits eigens einen Blogartikel darüber: Lust auf Eis in Kufstein. Von der Eisdiele ist es nun nicht mehr weit bis zur Römerhofgasse mit ihren alten bemalten Häusern. In dem rund 500 Jahre alten Gasthaus Auracher Löchl, das durch einen Bogen über der Straße mit dem gegenüberliegenden Haus verbunden ist, hat Karl Ganzer 1947 das berühmte Kufsteinlied ersonnen. Der Verfasser wird in der Gasse daher mit einem Denkmal geehrt.

Das Gasthaus Batzenhäusl in Kufstein
Das Gasthaus Batzenhäusl, auch Schicketanz genannt, in der Römerhofgasse. Dort kehrte Joachim Ringelnatz mehrfach ein. An dem Gasthof erinnert heute eine Infotafel an den Dichter und seine Verse, zu sehen rechts vom Erker.
© Foto: Meike Nordmeyer

An den Schriftsteller und Tirolbesucher Joachim Ringelnatz wird dort ebenfalls erinnert. Überrascht entdecke ich die Infotafel mit Porträt und Versen des Dichters am Gasthaus  Batzenhäusl. Ringelnatz kehrte mehrfach in den Gasthof ein, der auch Schicketanz genannt wird. Folgende Verse schrieb er über seinen Besuch in Kufstein:
“Wiedermal – wie immer wieder, wiedermal steigt Ringel ganz / Voll von hohen Bergen nieder, und besucht den Schicketanz. / Guter alter treuer Platz, Prost Ringelnatz dem Schicketanz.”
Zudem widmete der Schriftsteller der damaligen Wirtin ein Gedicht, so ist auf der Infotafel auch zu lesen. “Ich hab dich so lieb! Ich würde dir ohne Bedenken eine Kachel aus meinem Ofen schenken”, so beginnt der Dichter freimütig. Doch die Stimmung der Verse trübt sich im weiteren Verlauf stark ein. Offenbar hatte sich Ringelnatz in Kufstein unglücklich verliebt und reiste traurig wieder ab. Ach, so kann’s gehen.

Größte Freiorgel der Welt in Kufstein

Festung Kufstein
Die Festung Kufstein vom Festungsneuhof aus gesehen. In dem Gebäude unten links befindet sich der Spieltisch der größten Freiorgel der Welt. Das mächtige Instrument ist unter dem Dach des sogenannten Bürgerturms untergebracht. Dieser ist oben rechts zu sehen. Durch die offenen Holzluken schallt der Klang der Orgel nach draußen. © Foto: Meike Nordmeyer

Nach dem Bummel unten in der Stadt fehlt natürlich noch die Besichtigung der Festung. Die hebe ich mir für den folgenden Tag auf. Denn es empfiehlt sich, diese zur Mittagszeit zu beginnen. Jeden Tag kurz nach 12 Uhr, sobald die Glocken der nahegelegenen Kirchen verstummt sind, beginnt ein ganz besonderes Konzert. Dann spielt der zuständige Organist auf der größten Freiorgel der Welt, die in dem sogenannten Bürgerturm oben auf der Festung untergebracht ist. Der Klang des mächtigen Instrumentes ist in der ganzen Stadt zu hören. Dennoch lohnt es sich besonders, dafür zum Festungsneuhof direkt unterhalb der Burg zu gehen. Denn dort unten ist in einem kleinen Haus der Spieltisch der Orgel platziert. In dem Hof sind mehrere Reihen von Holzbänken aufgestellt. Von dort können die Besucher den Organist in dem Gebäude am Spieltisch beobachten und zugleich hinauf zum Bürgerturm blicken, aus dem das Instrument schallt. Um in den Hof zu gelangen, ist es erforderlich, eine Eintrittskarte zu kaufen. Diese gilt dann aber auch gleich für den Besuch der kompletten Festungsanlage. Daher der Tipp, die Besichtigung mittags mit dem Orgelkonzert zu beginnen.

Die Freiorgel stammt aus dem Jahr 1931. Nach mehreren Erweiterungen umfasst das Instrument mittlerweile 4948 Orgelpfeifen. Natürlich steht die Orgel nicht unter freiem Himmel, sondern ist vor Wind und Wetter geschützt. Dafür ist sie unterhalb des Dachs im Bürgerturm unterbracht. Die großen Holzluken, die sich rundum im oberen Bereich des Turms befinden, werden zum Spiel der Orgel aufgesperrt, und so schallt das Instrument direkt hinaus ins Freie, es tönt durch die gesamte Stadt und darüber hinaus.

“Die Orgel ist weit in Richtung Nord-Osten zu hören. Schöpft das Instrument den vollen Klang aus, dann ist es bei guten Windverhältnissen bis zu 10 Kilometer in das benachtbarte Bayern hinein zu hören, aber auch bis zu den Gipfeln des Wilden Kaisers hinauf”, erklärt Stadtführerin Gaby Schuler später. Für den Organisten bedeutet das Instrument eine besondere Herausforderung. Denn die Entfernung vom Spieltisch zum Pfeifenwerk macht sich bemerkbar. Schall ist träge. Deshalb hört der Organist das Ergebnis seines Spiels um etwa eine Drittelsekunde verzögert. Von diesem Effekt darf er sich nicht irritieren lassen. Gar nicht so einfach, damit zurecht zu kommen. Und tückisch ist auch: Einfach mal vorher ein bisschen üben – das geht auf diesem Instrument nicht. Mit seinen Proben würde der Organist gleich die ganze Stadt und Umgebung aufrütteln. Um so beeindruckender, wie versiert das Orgelspiel erklingt. Mächtig schallt es aus dem alten steinernen Turm. Doch auch der gezielte Einsatz von verschiedenen Registern bei gekonntem Spiel sorgt für ein gehaltvolles Orgelkonzert.

In der Stadt durchdringen die Akkorde die Straßen und Gassen, der Klang der Pfeifen wird an den Mauern und Hauswänden listig hin und her geworfen. Da ist es öfters zu beobachten, wie sich ein Gast, der noch nichts von dieser Attraktion Kufsteins weiß, verdutzt umschaut. Die Richtung, aus der die Töne stammen, ist nicht auszumachen, sie scheinen von allen Seiten zu kommen. Am Platz unten im Festungsneuhof ist die Sache klarer, es ist die beste Position, das Konzert zu verfolgen. Die etwa viertelstündige Vorführung am Mittag (in den Monaten Juli und August zusätzlich auch um 18 Uhr) ist ein ganz besonderes Erlebnis, das man bei einem Besuch in Kufstein auf keinen Fall versäumen sollte.

Freiorgel von Kufstein
Die Besichtigung der Festungsanlage in Kufstein bietet auch die Gelegenheit, einen Blick ins Innere der Freiorgel zu werfen und auf die Pfeifen zu blicken. © Foto: Meike Nordmeyer

Danach geht es dann endlich hinauf zur Festung! Das ist ganz bequem zu unternehmen, denn der Festungslift bringt die Besucher mühelos hinauf. Das gläserne Gefährt bietet zudem einen reizvollen Ausblick auf die Dächer der Stadt. Der Lift ist allerdings nur kurz unterwegs, es gilt also schnell die Kamera zu zücken. Oben auf dem Festungsberg gibt es viel zu erkunden, zahlreiche Säle, Kammern, Türme, Innenhöfe können besichtigt werden. Besonders interessant nach den Orgelklängen: Im Bürgerturm lässt sich ein Blick ins Innere des großen Instrumentes werfen und auf die großen und kleinen Pfeifen blicken.

Es gibt viel zu unternehmen in Kufstein und Umgebung. Eins steht dabei fest: Für Liebhaber der klassischen Musik lohnt sich ein Besuch während der Tiroler Beethoven-Tage ganz besonders.

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Die Tiroler Beethoven-Tage sind mittlerweile leider eingestellt, wie auf der Webseite des Festivals im Juli 2015 gemeldet wurde. Das ist sehr bedauerlich. Der Artikel bleibt hier im Blog bestehen, da er nicht nur an die Tiroler Beethoven-Tage erinnert, sondern darüber hinaus noch viele weitere Informationen zu Kufstein und der Region bietet.

Ausflug zur Aschinger Alm
Von Kufstein aus ist der Alpengasthof & Almkäserei Aschinger Alm in etwa 20 Minuten mit dem Auto über Ebbs erreichbar. Parkplätze sind vor dem Gasthof vorhanden. Wer ein Stück wandern möchte, kann seinen Wagen schon auf dem Parkplatz “Wander und Radweg Aschinger Alm” in Buchberg am Rand von Ebbs stehen lassen und in etwa einer Stunde über die Rodelbahn hinauf zur Aschinger Alm laufen. Der Alpengasthof bildet einen guten Ausgangspunkt für einen etwa 45 minütigen Rundweg oder zu ausgiebigen Wanderungen.

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Zu der Reise nach Tirol, die auch den Aufenthalt in Kufstein und den Besuch des Konzertes der Tiroler Beethoven-Tage in Thiersee umfasste, hat mich die Tirol Werbung GmbH und Ferienland Kufstein eingeladen. Gewohnt habe ich im Rahmen dieser Einladung im Hotel Kufsteiner Hof.

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2 Replies to “Beethoven in Tirol besuchen

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