Wo das Wildschwein lockt – ein Besuch auf dem Hardenberg

Praline mit Wildschwein-Dekor - Spezialität auf dem Hardenberg
Eine Spezialität auf dem Hardenberg: Praline mit Keilerkopf. © Foto: Meike Nordmeyer

Eine Praline zur Begrüßung. Und was für eine. In Rot auf weißer Schokolade ist ein Keilerkopf auf der Süßigkeit zu sehen. Innen bietet sie dann zum Glück nichts Deftiges, sondern feine Trüffelcreme. Nach fast drei Stunden Autofahrt von Wuppertal habe ich gerade im Burghotel in Nörten-Hardenberg bei Göttingen eingecheckt. Jetzt genieße ich erstmal einen Cappuccino und die Praline dazu. Gleich geht es für mich ab in die Küche.

Katja Burgwinkel, Küchendirektorin des zum Burghotel gehörigen Gourmet-Restaurants Novalis, hat mich an ihren Arbeitsplatz eingeladen. Dort darf ich nicht nur zuschauen, wie gekocht wird, sondern auch tatkräftig mithelfen. Ich bin schon sehr gespannt. Also bringe ich rasch meine Sachen aufs Zimmer.

Auf dem Weg in den zweiten Stock begegnet mir das Wildschwein noch vielfach. Das Bild ist in den Teppich eingewebt und auch auf der Tür des Aufzugs zu sehen. Der Keilerkopf ist im ganzen Haus allgegenwärtig, denn er ist das Logo des Gräflichen Landsitz Hardenberg, zu dem neben dem Gräflichen Schloss mit Park, dem 5-Sterne-Burghotel auch das Hotel Freigeist gehört sowie die Keilerschänke, die bekannte Reitarena und die Kornbrennerei. Vor allem von der Flasche Doppelkorn und anderen Schnäpsen ist der Keilerkopf in Schwarz sehr bekannt. Mir gefällt er jedoch ganz besonders in der Naschkatzen-Version in Rot auf Praline.

Blick vom Hotel auf die Burg
Über dem Hotel thront die Burgruine. Sie ist mehr als 1000 Jahre alt. © Foto: Meike Nordmeyer

Mein Zimmer ist groß und hell, dezent im Landhaus-Stil gehalten und sehr behaglich mit den Eichendielen und teilweise hellgrüner Holzvertäfelung. Im Badezimmer steht ein kleiner runder Hocker aus grobem Wurzelholz gefertigt mit tiefen Furchen und knubbeligen Astlöchern. Das gute Stück habe ich sogleich ins Herz geschlossen. Das hätte ich auch gerne zu Hause. Zum Zimmer gehört ein Stück des großen Balkons, der sich auf der kompletten Seitenfront des Hotels entlangzieht. Er bietet einen hervorragenden Ausblick auf den großen Reitplatz, der vom jährlichen Burgturnier, dem internationalen Wettkampf der Springreiter, bekannt ist. Dahinter liegt die Kornbrennerei mit einem hohen, freistehenden Backstein-Schornstein.

Erst nach ein paar Minuten schaue ich auch zur Seite und sehe den dicht bewaldeten Hügel mit dem Felssockel, auf dem die Ruine der Burg derer zur Hardenberg thront. Sie ist mehr als 1000 Jahre alt. Der Sage nach soll Mitte des 13. Jahrhunderts ein Keiler vor einem nächtlichen Überfall von Belagerern der Burg gewarnt haben. Das aufmerksame Tier grunzte so laut, dass die Burgbewohner davon aufwachten. Seither schmückt der Keilerkopf das Familienwappen. Burg, Wildschwein und Schnaps – ein bewährtes Trio. Für mich ist der Name Hardenberg aber vor allem auch mit deutscher Dichtung verbunden. Denn der Schriftsteller Novalis, der eigentlich Georg Philipp Friedrich Freiherr von Hardenberg hieß, ist ein Vorfahre der Gräflichen Familie. Er wurde im Jahr 1772 allerdings nicht in Hardenberg, sondern auf Gut Oberwiederstedt im Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt geboren.

Chefköchin Katja Burgwinkel
Küchendirektorin Katja Burgwinkel an ihrem Arbeitsplatz: In der Küche des Gourmet-Restaurants Novalis.
© Foto: Meike Nordmeyer

Nun gehe ich schnell wieder rein und krame Schreibblock, Stift und Kamera aus der Tasche. Das iPhone habe ich ja eh ständig in der Hand. Mit diesen Arbeitsgeräten bewaffnet komme ich am späten Mittag in die Küche. Katja Burgwinkel und ihr Team sind dort natürlich schon lange tätig. Burgwinkel verbindet die klassisch-französische Küche mit mediterraner Leichtigkeit, so beschreibt sie es selber. Die Chefin ist gerade am Arbeitsplatz für das Gemüse tätig, da die Mitarbeiterin, die dafür sonst hauptsächlich zuständig ist, heute nicht anwesend ist. Auf dem Herd brodelt es in diversen großen Töpfen. Eine Zwiebel-Essenz dampft kräftig vor sich hin und verströmt einen würzigen Geruch. Daneben blubbert die Masse für ein Tomaten-Chutney. “Die köchelt schon seit heute Morgen”, sagt Burgwinkel. “Zum Kochen braucht man vor allem Zeit. Bei mir bekommen die Saucen mindestens drei Ansätze, das heißt, das geht so über drei bis vier Tage. Das gibt erst den richtigen Geschmack. Eine gute Sauce – das ist wirklich Arbeit. Und der Gast merkt, was man für ihn tut”, sagt die Köchin, wirft einen prüfenden Blick in die Töpfe, rührt hier und da ein wenig und wendet sich wieder dem rohen Gemüse zu. Fingermöhren, gelbe Karotten, Blumenkohl und Zuckerschoten liegen zur Verarbeitung bereit. Ich übernehme die kleinen Möhren. Der Schäler klackert leise, während ich ihn an- und absetze, die Schale fällt in dünnen Streifen zur Seite. Als sich viele davon angesammelt haben, schiebe ich sie zusammen, und greife sie mit beiden Händen. “Die kommen in den Topf dahinten, in dem ein Fond einköchelt. Einfach rein damit”, sagt Burgwinkel. “Wegschmeißen ist immer einfach. Aber es kommt darauf an, diese guten Reste noch sinnvoll zu verwerten”, erklärt sie, während sie die Zuckerschoten zu mir rüberschiebt, damit ich sie zurechtschneide.

Meike in der Küche
Ich betätige mich fleißig in der Küche. Hier bin ich gerade mit Kräutersaiblingen befasst. © Foto: Meike Nordmeyer

“Gemüse ist keine Herausforderung für mich”, merkt die gebürtige Kölnerin noch an, während sie nun rasch die dunkelgrünen Blättchen des Thymian abzupft. Sie hat bereits im Grand Hotel Wien gekocht und sieben Jahre in Düsseldorf im Sternelokal Victorian. Saucen hingegen mache sie besonders gerne, denn da könne man sehr gut mit Aromen arbeiten, ebenso wie bei Fisch und Fleisch. So gilt Burgwinkel auch insbesondere als Spezialistin für Wildgerichte, was besonders gut zum ländlichen Charakter des Hardenbergs passt. In der benachtbarten Keilerschänke, für die Burgwinkel ebenfalls verantwortlich ist, steht eine ländliche, bodenständige Küche auf dem Programm mit Wildgerichten aus der eigenen Jagd des Gräflichen Landsitzes. Die besondere Spezialität dort: Der Keilerburger mit einer üppigen Wildschwein-Frikadelle, mit Preiselbeeren und einer Senf-Sauce. Dieser Spezialburger wird mir jetzt schon für den nächsten Tag dringend empfohlen. Okay, darauf bin ich natürlich gespannt.

Chips aus violetten Kartoffeln
Hier entstehen gerade Chips aus violetten Kartoffeln. © Foto: Meike Nordmeyer

Nun aber schnibbel ich erstmal fleißig für das Abendessen. Burgwinkel erzählt weiter. Von der Molekularküche halte sie wenig. “Ich finde es wichtig, dass der Gast das Produkt noch wiedererkennt”, sagt sie. Die 37-Jährige spricht gerne über ihre Arbeit. Sie tut das mit Ruhe, aber mit Freude, so wie sie auch arbeitet. Rasch und unaufgeregt erledigt sie dabei die verschiedensten Handgriffe und hat die Töpfe im Blick. Während ich mich mit den Zuckerschoten befasse, die Spitzen abschneide und sie dekorativ mit schrägem Schnitt halbiere, geht die Chefin bei ihren Mitarbeitern schauen, wie bei ihnen der Stand der Dinge ist. Einer schneidet gerade aus violetten Kartoffeln kleine dünne Rechtecke zurecht, etwa in der Größe einer Briefmarke. Die fertigen Stücke werden blanchiert, von beiden Seiten mit Öl bestrichen und im Ofen zu feinen, knusprigen Kartoffelchips gebacken. Während ein weiterer Kollege mit kräftigen Hobelbewegungen einen länglichen, silbrigen Adlerfisch entschuppt, geht es in einer anderen Ecke der Küche schon längst um die Desserts. Pâtissière Verena Adam hat soeben weiße glänzende Pyramiden aus Panna Cotta aus der Form schlüpfen lassen.

Burgwinkel gibt nur gelegentlich hier und da eine kleine Anweisung und kehrt wieder zu den Töpfen mit den Saucen zurück. Für das Team ist heute ein vergleichsweise ruhiger Tag. Zwar muss an einem Dienstag besonders viel neu angesetzt und vorbereitet werden, da am Montag das Restaurant immer geschlossen ist. Aber heute ist nur das Novalis mit seinen 40 Plätzen zu versorgen. Oftmals gibt es auch in den großen Veranstaltungsräumen auf dem Hardenberg Festlichkeiten wie Hochzeiten und andere Familienfeiern oder Firmen-Events. Auch dafür sind Burgwinkel und ihr Team zuständig und richten die Bankett-Küche aus. “Ich kann in meinem Team niemanden gebrauchen, der nur für 40 Leute kochen kann. Die müssen das auch für 300 Leute können”, kommentiert die Chefin. Dazu gehört natürlich viel gute Planung. Sechs Tage die Woche arbeitet Burgwinkel, zusammengenommen seien davon bestimmt zwei Tage Büroarbeit. “Im Grunde ist Kochen da noch das Einfachste”, sagt sie und grinst. Schnell hat sie unterdessen einige Stangen Spargel geschält und mit den Schalen, Salz, Butter und Zitrone das Wasser angesetzt, in dem die weißen Stangen nun gekocht werden.

Wenn so ein Bankett auszurichten sei, dann herrsche hier aber schon Stress, so hake ich nach. “Klar, dann ist hier ein anderer Betrieb. Aber Hektik machen wir nicht. Wir haben viel Arbeit, die müssen wir konzentriert tun, da können wir es nicht gebrauchen, uns hier zu stressen. Das führt zu nichts”, erklärt Burgwinkel. Da klingelt ihr Handy wieder, zwischendurch wickelt sie Bestellungen ab, da die Lieferanten anrufen und nachfragen. Das Servicepersonal ist auch schon längst eingetroffen und informiert sich bei der Chefköchin, was für sie wo und wie in der Küche griffbereit stehen wird. Die Tische im Restaurant sind längst fertig vorbereitet. Nun wird auch für mich der “Chef’s Table” eingedeckt. Das ist der lange schmale Tisch mit Sitzbank, der direkt neben der Küche am Durchgang zum kleinen, mit Ordnern vollgestopften Büroraum steht. Eine große Glasscheibe bietet Einblick in die Küche. Hier darf ich heute Abend speisen und dabei weiter den Arbeiten in der Küche zuschauen. Eine tolle Sache! Der Tisch ist auf Wunsch für Gäste zu buchen, und das wird gerne von Kennern in Anspruch genommen, erfahre ich auf Nachfrage. Ich kann es jedenfalls wärmstens empfehlen.

Ein Cocktail mit Goldwasser
Mit Champagner und Zitronensorbet wird das Danziger Goldwasser zum spritzigen Aperitif.
© Foto: Meike Nordmeyer

Auf den Teller kommen gleich natürlich auch die von mir geschälten Möhren und die zurechgeschnittenen Zuckerschoten. Die werde ich dann mit besonderem Bedacht verspeisen. Doch zum Auftakt gibt es erstmal als Aperitif den Hardenberg-Cocktail. Der besteht aus Danziger Goldwasser auf Zitronen-Sorbet und wird mit Champagner aufgegossen. Denn das traditionsreiche Danziger Goldwasser, bei dem so schön die Stücke aus 22-karätigen Blattgold in der Flüssigkeit schweben, gehört seit 1971 zur Kornbrennerei Hardenberg. Was mir als süßlicher Likör bekannt ist, den schon meine Oma schätzte, begegnet mir hier in dieser Variante mit Champagner ganz neu: Frisch, aromatisch und ungeheuer spritzig. So werde auch ich zum Fan des Likörs.

Dessert-Variationen
Das Dessert bietet Variationen mit Erdbeer und Vanille. Frisch und irre fruchtig kommt der Joghurt-Shot daher.
© Foto: Meike Nordmeyer

Nun kann es losgehen mit dem Überraschungsmenü, das Burgwinkel für mich zusammengestellt hat. Natürlich mit den passenden Weinen dazu. Zu Beginn gibt es eine gebratene Garnele, als Beilage dazu finden sich neben Spargelspitzen die violetten Kartoffelchips. Ein feiner Auftakt. Dann folgt ein Cappuccino von Zwiebel-Essenz. Das ist natürlich nicht die erst heute angesetzte Essenz. Die ist so intensiv würzig, die hat zuvor schon mehrere Tage geköchelt. Für den richtigen Look wird die dunkelbraune Flüssigkeit im Kaffee-Glas serviert mit weißem Brieschaum obendrauf – perfekt für Auge und Gaumen. Als nächster Gang wird Steinbutt mit Trüffelsauce und gratiniertem Blattspinat serviert. Der Fisch ist saftig und zart nussig, auf den Punkt gegart. Es folgt Harzer Lamm mit Tomatenchutney und Makkaroni-Gratin, dann ein Zwetschengsorbet als Zwischengang. Als sensationell bleibt mir vor allem das im Anschluss daran servierte Stück Rehrücken an Aprikosenchutney in Erinnerung. Das Fleisch zergeht butterweich auf der Zunge und entfaltet dabei volles Aroma. Nach einer Käse-Auswahl erhalten Dessert-Variationen zum Thema Erdbeere und Vanille ihren Auftritt. Ja, da ist wieder die Panna Cotta-Pyramide. Das Highlight ist aber ein Joghurt-Shot, dekorativ serviert in verschiedenen Schichtungen in einem kleinen Schnapsglas. Burgwinkel verrät, wie dieser entstanden ist: aus Erdbeerfond mit Vanille und Vanillezucker aufgekocht, dann mit Joghurt und Sahne vermischt, obenauf Erdbeersauce und Vanille-Milchschaum. Frisch, kühl und irre fruchtig – das tut jetzt sehr gut und macht richtig Spaß zum Abschluss.

Doch halt, ganz Schluss ist jetzt noch nicht. Natürlich kommt noch der Schnaps des Hauses auf den Tisch. Das ist Ehrensache. Ich entscheide mich für den Hardenberg Schwartzhog, einen kräftigen, dunklen Kräuterlikör, der neben den Kräutern auch auf Früchten und Wurzeln basiert. Nach dem Empfang mit dem süßen roten Wildschwein, jetzt also der zünftige Abschluss des Tages mit dem schwarzen Keilerkopf. Wie gut, dass ich danach nur noch ein paar Stufen bis zu meinem Zimmer zu erklimmen habe. Und wie gut, das für den nächsten Vormittag Bewegung an der frischen Luft auf dem Programm steht. Denn nach dem Frühstück geht es den Berg hinauf zur Besichtigung der Burgruine.

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Besichtigungen auf dem Hardenberg
Die Burgruine kann an Sonn- und Feiertagen oder nach Voranmeldung im Rahmen einer etwa einstündigen Führung besichtigt werden. Empfehlenswert ist auch eine Führung durch die Hardenbergsche Kornbrennerei.

Zum Aufenthalt auf dem Hardenberg mit Besichtigungen, Übernachtung im Burghotel, Abendessen im Gourmet-Restaurant Novalis sowie Mittagessen in der Keilerschenke hat mich das Unternehmen Gräflicher Landsitz Hardenberg eingeladen. Vielen Dank dafür. Insbesondere auch ein herzlicher Dank an Küchendirektorin Katja Burgwinkel für den Einblick, den sie mir in die Küche des Novalis gewährte. Weitere Informationen zum Gräflichen Landsitz Hardenberg und zum 5 Sterne Relais & Châteaux Hardenberg BurgHotel unter www.der-hardenberg.com

 

2 Replies to “Wo das Wildschwein lockt – ein Besuch auf dem Hardenberg

  1. Hi Meike.
    Welch ein schöner Beitrag! Ich komme aus Göttingen (also um die Ecke) und finde es immer schön etwas mit regionalem Bezug zu lesen :-) Vor allem, wenn ich, wie jetzt gerade, weit weg von zu Hause bin!
    Liebe Grüße aus Schweden,
    Rike

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