Kennt ihr schon den tanzenden Strommast? Es ist der Zauberlehrling, so lautet der Titel des Kunstwerks, das in Oberhausen ganz in der Nähe von Gasometer und CentrO steht. Bereits vor einiger Zeit, an Pfingsten 2019, habe ich einen Ausflug dahin unternommen, denn ich wollte die außergewöhnliche Stahlskulptur endlich einmal vor Ort anschauen. Und irgendwie bin ich dann gar nicht dazu gekommen, darüber zu bloggen. Denn es gibt immer so viele Themen und Geschichten. Doch dafür ist die leider reisefreie Corona-Zeit jetzt immerhin gut. Sie zaubert so manches aus meinem Archiv hervor, und so zeige ich euch jetzt endlich meine Fotos vom Zauberlehrling und gebe euch damit einen Ausflugstipp für das Ruhrgebiet.
Das Wolkenbild an diesem strahlend schönen Pfingstsonntag 2019 finde ich auch im Nachhinein noch beeindruckend. Diese Wolkenfasern, die sich da im Hintergrund am knatschblauen Himmel zeigen, sind wahrscheinlich vor allem sich allmählich auflösende Kondensstreifen. Sie geben ein ganz eigenes Bild im Hintergrund ab. Es wirkt fast so, als zeigten sie das Energiefeld auf, das der Hochspannungsmast mit seinem fröhlichen Tanz erzeugt. Die hohe Gitterkonstruktion ist nicht im Dienst und trägt keine Stromleitungen, die sie festhalten müsste und von denen sie eingeengt würde. Diese Freiheit, die der Strommast ohne seine sonst übliche, sehr verantwortungsvolle Aufgabe genießt, gibt ihm offenbar eine ganz eigene Energie. Und es ist, als erzählte das milchige Wolkengesprengsel im Hintergrund davon.
Das weithin sichtbare Kunstwerk ist ein Blickfang, eine Landmarke im Emscher Landschaftspark. Es steht auf einer struppigen Wiesenfläche neben dem Rhein-Herne-Kanal, wie auf einem Bild weiter unten noch zu sehen ist. Nichts sonst findet sich direkt drumehrum, nur Gräser, Sträucher und Bäume. So kommt das Werk besonders gut zur Geltung. Es entstand im Jahr 2013 anlässlich der Emscherkunst, einer über mehrere Jahre fortgesetzte Kunstausstellung im öffentlichen Raum entlang der Emscher. Geschaffen wurde die etwa 35 Meter hohe Gitterkonstruktion von der Berliner Künstlergruppe “inges idee”.
Eine Skulptur, die einen Hochspannungsmast darstellt – das ist ein ungewöhnliches Motiv für die Kunst. Doch solche hohen Gittermasten in der Landschaft sind uns allen ein vertrautes Bild, wie sie in einer langgestreckten Reihe die Landschaft durchkreuzen. Dieses Exemplar scheint allerdings entwischt zu sein aus dem Verbund mit seinen Kameraden. Es scheint einfach ausgebüxt, ist nicht mehr festgebunden in die fortlaufende Reihung mit den anderen Gittermasten. So erinnert es an den kühn herbeigerufenen Geist aus Goethes Ballade „Der Zauberlehrling“, der sich in Gestalt des Besens alsbald den Anweisungen des Lehrlings entzieht und immer mehr Wasser herbeischleppt. Der Strommast hingegen tanzt einfach. Die normalerweise geraden Bauteile einer solchen Konstruktion fügen sich bei dieser Skulptur zu dynamisch geschwungenen Formen zusammen, und so wirkt es so, als bewege sich der Mast ganz befreit und beschwingt mit ausgestreckten Armen. Der Anblick dieser ungewöhnlichen Figur macht jedenfalls direkt gute Laune.
Dabei sind die Bezüge des Kunstwerkes vielschichtig. An seinem Standort in Oberhausen befindet sich der Zauberlehrling in einer von Schwerindustrie geprägten Region und verweist damit auf die Geschichte und die rasante Entwicklung des Ruhrgebiets im Industriezeitalter. Als eine Figur, die unmittelbar ersichtlich aus ihrer eigentlichen Funktionalität herausgenommen ist, stellt sie in Zeiten von Klimawandel und Energiewende auch die Frage nach der Zukunft und der weiteren Entwicklung von Technik und Energieversorgung. Sie schärft zugleich den Blick auf diese hohen Gittermasten, die so zahlreich, scheinbar völlig selbstverständlich in der Landschaft stehen und diese prägen. Über Windräder in der Landschaft regen sich viele Menschen auf. An die Strommasten haben sich anscheinend alle gewöhnt. Sie stehen im Windschatten der Aufmerksamkeit, gedeckt durch das trügerische Gefühl “die waren doch immer schon da”.
Mehrere Jahre nach der Aufstellung des Zauberlehrlings im Rahmen der Emscherkunst 2013 offenbarten sich bei statischen Prüfungen gewisse Schwachpunkte in der Mastkonstruktion. Die statischen Mängel bedeuteten zwar keine akute Gefährdung für das Objekt selbst oder für Personen, die sich im Umfeld aufhalten könnten. Aber mit Blick auf den langfristigen Erhalt des beliebten Kunstwerkes mussten diese behoben werden. Das geschah in Absprache und unter Mitwirkung der Künstler. Das Original wurde im August 2017 zunächst abgebaut. Das Fundament wurde daraufhin deutlich verstärkt und ab September eine neue Konstruktion in entsprechender Größe, aber in deutlich stabilerer Ausführung mit verstärkten Profilen und zudem mit etwas weniger stark ausgeprägten Biegungen errichtet. So thront der Zauberlehrling nun dauerhaft auf der Wiese in Oberhausen.
Haus Ripshorst als Ausgangspunkt zum Zauberlehrling
Den Zauberlehrling in Oberhausen auf seiner Wiese zu ereichen, ist ganz einfach. Als Ausgangspunkt bietet sich das Haus Ripshorst an, das liegt an der Ripshorster Straße 306. Direkt an diesem Informationszentrum zum Emscher Landschaftspark befindet sich ein großer kostenfreier Parkplatz. Von daaus sind es nur knapp 15 Minuten Fußweg zum tanzenden Strommast. Dafür müsst ihr einfach nur dem Weg folgen, der seitlich am Haus Ripshorst vorbei bis nah ans Ufer des Rhein-Herne-Kanals führt. Dort nach links abbiegen und noch ein kleines Stück am Kanal entlang gehen. Nach wenigen Metern gelangt ihr an eine Brücke über den Kanal. Von dieser bietet sich ein fotogener Blick auf den Zauberlehrling (auf dem Foto weiter oben zu sehen). Um näher zum Kunstwerk zu kommen, geht ihr aber an der Brücke vorbei noch ein kleines Stück weiter geradeaus und folgt dann dem kleineren Weg, der auf die Wiese führt. Da ist der Zauberlehrling schon zu sehen, der ist nicht zu verfehlen.
Von dort aus lässt es sich dann noch sehr schön weiter spazierengehen oder eine Fahrradtour entlang des Kanals unternehmen. Ein Ausflug zum Zauberlehrling in Oberhausen lohnt sich und kann einen inspirierenden Auftakt bilden für einen schönen Tag draußen in der Natur im Emscher Landschaftspark.
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Weitere Informationen
Die Emscherkunst war eine Kunstaktion mit Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Stadt und Natur entlang der Emscher in den Jahren 2010, 2013 und 2016 und wurde noch bis 2022 erweitert. Einige der Kunstwerke sind danach dauerhaft in der Landschaft verblieben. So ist daraus der Emscherkunstweg geworden, eine ständige Sammlung von Kunst im öffentlichen Raum. Auf der genannten Webseite finden sich die Standorte der derzeit 23 Kunstwerke und nähere Infos dazu.
Mehr Infos zur Künstlergruppe “inges idee”
Direkt am Haus Ripshorst befindet sich eine RevierRad-Station, an der Mietfahrräder angeboten werden. Die Fahrräder können bequem an einer RevierRad-Station abgeholt und an einer anderen wieder abgegeben werden. Es wird empfohlen, die Mieträder vorzubestellen. Weitere Infos zur Vermietung an den RevierRad-Stationen
Den Ausflug zum Zauberlehrling in Oberhausen habe ich spontan aus eigenem Antrieb unternommen. Es gab keinerlei Einladung dazu.
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Das sieht ja verrückt aus :)
Habe selber mal in Oberhausen gewohnt, aber noch nie was davon gehört.
Muss ich mir mal persönlich anschauen :D
LG Sarah
Hallo Sarah,
das freut mich, wenn ich einen guten Tipp und eine Anregung zu einem Ausflug geben konnnte!
Viele Grüße, Meike