Besuch in Erfurt mit Genuss

Die Ägidienkirche am Wenigemarkt in Erfurt
Der Wenigemarkt mit der Ägidienkirche. Der kleine Stadtplatz bildet einen guten Ausgangspunkt für einen Stadtrundgang durch Erfurt. Das Kirchengebäude integriert auch einen Durchgang zur Krämerbrücke. © Foto: Meike Nordmeyer

Erstmal eine Stärkung in Erfurt – das ist keine schlechte Idee. Denn in der Landeshauptstadt von Thüringen gibt es mit der Krämerbrücke, der alten Synagoge, dem riesigen Ensemble von Dom und St. Severikirche und den vielen kleinen Gassen in der Altstadt viel zu besichtigen. Für eine entspannte Rast habe ich einen guten Tipp: Am Wenigemarkt in unmittelbarer Nähe zur Krämerbrücke steht eine Drogerie aus dem Jahr 1889. Der alte Verkaufsraum der Drogerie wurde in ein gemütliches Café und Bistro umgewandelt.

Die gesamte Rückwand des Raums ist noch mit der Holzverkleidung aus alten Zeiten ausgestattet. Die Wand aus hellgrau gestrichenem Holz mit zahlreichen Regalböden, Schubfächern und einer Schrank-Einheit mit Glastüren zeugen noch von dem einstigen Drogerie-Betrieb. Auch die alte Verkaufstheke mitsamt der Messing-Waage ist noch vorhanden. Seitlich reihen sich auf der alten Holztheke diverse Servierteller aneinander. Unter den Glashauben sind hausgemachte Quiche und Kuchen platziert.

Gemütlich speisen in der Drogerie
Gemütlich sitzen und speisen – das können die Gäste in der alten Drogerie am Wenigemarkt. Der ehemalige Verkaufsraum wurde zu einem Bistro umgewandelt. Auf der alten Verkaufstheke ist eine große Auswahl an Quiche und Kuchen aufgebaut. © Foto: Meike Nordmeyer

Die Einrichtung der alten Drogerie ist ganz behutsam und nur so wenig wie gerade nötig für die Anforderungen des Bistros umgestaltet worden. Das Ehepaar Christel und Walther Straßburg hat sich damit im Jahr 1990 einen Traum erfüllt. Sie waren damals die langjährigen Inhaber der Drogerie. „Als die vielen Veränderungen nach der Wende anstanden, war uns klar, dass wir uns mit unserer kleinen Drogerie gegen die großen Ketten der Branche nicht lange werden halten können. Da sind wir so mutig gewesen und haben eine schon länger gehegte Idee umgesetzt“, erzählt Christel Straßburg. „Das habt ihr genau richtig gemacht!“, ruft eine Besucherin vom Nachbartisch herüber. „Für uns war es wichtig, dass der Raum mit der schönen alten Einrichtung so erhalten bleibt“, ergänzt Straßburg. Gemeinsam mit ihrer Tochter Simone sorgt die Inhaberin für die Bedienung der Gäste. Tochter Nadja ist im Hintergrund tätig und bereitet in der Küche die Speisen zu. Es ist gerade Bärlauch-Zeit, als ich in Erfurt bin. Also bestelle ich Spaghetti mit hausgemachten Bärlauch-Pesto. Köstlich! Dazu trinke ich Holunder-Limonade. Auch die ist selbstgemacht, sie schmeckt frisch und aromatisch. Danach bekomme ich noch einen guten Cappuccino serviert. Eine vorzügliche Stärkung nach meiner Ankunft in Erfurt am Mittag. Nun kann es also losgehen zur Stadterkundung.

Die Krämerbrücke in Erfurt
Die Krämerbrücke in Erfurt gilt als die längste durchgehend mit Häusern bebaute und bewohnte Brücke Europas. © Foto: Meike Nordmeyer

Die Krämerbrücke ist schon in Sichtweite. Durch die großen Glasscheiben der Drogerie schaue ich auf die Ägidienkirche, die nicht nur den Wenigemarkt prägt, sondern auch die östliche Brückenkopf-Kirche der Krämerbrücke bildet. Die mittelalterliche Brücke spannt sich über den Breitstrom, einen Seitenarm der Gera. In ihrer heutigen Form als Steinbrücke mit Wohnhäusern und Geschäften darauf geht sie auf das 14. Jahrhundert zurück. Schon seit dem 12. Jahrhundert hatte es an dieser Stelle eine nach wiederholten Bränden immer wieder neu errichtete Holzbrücke gegeben, auf denen Händler ihre Verkaufsbuden aufstellten. Ursprünglich war die 120 Meter lange Krämerbrücke mit 62 schmalen Häusern bebaut, die später zu 32 Häusern zusammengefasst wurden. Sie gilt heute als die längste durchgehend mit Häusern bebaute und bewohnte Brücke Europas. Fachwerkhäuser mit braun, grün oder rot gestrichenen Balkenwerk reihen sich an verputzte Fassaden, die in hellen Beige- oder Gelbtönen gestrichen sind. An den Außenseiten zum Fluss hin sind Balkons und Erker aus dunklem Holz angefügt. Es ist beeindruckend, was hier an alter Architektur weitgehend erhalten blieb, gut restauriert ist und doch immer noch natürlichen Charme ausstrahlt.

Aufgrund der vielen kleinen Geschäfte auf der Brücke könnte man sagen, sie sei der Ponte Vecchio Thüringens. Doch diese Bezeichnung gefällt den Erfurtern gar nicht. Stadtführer Matthias Gose schüttelt gleich energisch den Kopf, als er das hört. „Die Krämerbrücke ist viel schöner, denn sie bietet echtes Stadtleben im Vergleich zu dem Bauwerk in Florenz. Unsere Brücke ist nach wie vor von Erfurter Bürgern bewohnt, sie bilden eine gute Gemeinschaft. Und wir haben hier nicht nur irgendwelche Souvenirbuden darauf, sondern ganz besondere Geschäfte“, so betont er. Der Hinweis ist berechtigt. 30 der 32 Häuser auf der Krämerbrücke sind im städtischen Besitz und die Stadt Erfurt achtet darauf, dass sich inhabergeführte Geschäfte mit einem interessanten Angebot ansiedeln. Bevorzugt wird Kreatives und Regionales und auch ungewöhnliche Geschäftsideen wie etwa ein Laden mit speziellen Artikeln für Linkshänder. Diese Zusammenstellung macht den Bummel auf der alten Brücke besonders lohnend. Da finden sich Läden für Antiquitäten, handbemalte Keramik, Thüringer Blaudruckstoff oder Schmuckdesign, eine kleine Buchhandlung, ein Laden mit Thüringer Spezialitäten, ein Gewürzladen, der intensive Düfte auf den Brückenweg wehen lässt oder auch der Werkstatt-Laden des Holzbildhauers und Puppenschnitzers Martin Gobsch.

Krämerbrückentrüffel - eine Spezialität in Erfurt
Kleine Klötze, die auf der Zunge zergehen: Die Krämerbrückentrüffel sind eine Spezialität in Erfurt. © Foto: Meike Nordmeyer

Ach, und dann ist da noch diese verflixt verführerische Schokoladen-Manufaktur Goldhelm. Dort werden hausgemachte Schokoladen, Pralinen, Trüffel und Speiseeis zum Verkauf angeboten. Allein die Pralinentheke ist beeindruckend. Was jeder Besucher unbedingt probieren sollte, sind die Krämerbrückentrüffel. Die kleinen Klötze werden in Kakao gewälzt und erhalten so einen nostalgisch anmutenden rostfarbenen Ton. Ich kaufe mir ein Klötzchen, um es direkt zu probieren. „Sie müssen es ganz in den Mund nehmen, auf die Zunge legen und dort schmelzen lassen. Dann schmeckt das wie Eiskonfekt“, so empfiehlt mir Gose. Ich gehorche. Er muss es ja wissen. Mhmmmm, so gut! Es stellt sich eine kühle Feuchtigkeit der Trüffelmasse ein, die tatsächlich an Eiskonfekt erinnert, dazu entfaltet sich ein feiner herber Kakaogeschmack. Ihr müsst diese Brücken-Spezialität probieren, wenn ihr in Erfurt seid!

Café Mundlandung auf der Krämerbrücke
Am kühlen Sonntagmorgen bleiben die Plätze vor dem Bistro Mundlandung auf der Krämerbrücke noch leer. Drinnen ist es wärmer und auch sehr gemütlich. © Foto: Meike Nordmeyer

Am nächsten Tag kurz vor der Abreise besuche ich noch einmal die Brücke und kaufe zwei Schachteln mit den Krämerbrückentrüffeln zum Mitnehmen. Eine für mich und eine zum Verschenken. Dann möchte ich noch einen Cappuccino zum Abschied trinken und kehre in das Bistro und Feinkostgeschäft Mundlandung direkt auf der Brücke ein. Es sieht schon von außen sehr einladend aus mit den kleinen Stühlen und Tischen in roter, blauer und hellgelber Farbe. Doch es ist noch etwas zu kühl zum Draußensitzen an diesem Sonntagmorgen. Also gehe ich hinein, werfe einen Blick in die Feinkost-Theke und setze mich an einen der kleinen Tische, an denen einfache Stühle aus dunkelbraunem Holz stehen. Weiße Blumen stecken in einer alten Blech-Milchkanne, an der Wand hängen alte Fotografien. Zwei Tische stehen auf der zum Fluss hingewandten Seite des Hauses direkt an den kleinen Fenstern und bieten den Blick auf das Wasser, das glucksend unter der Brücke durchzieht. Und auch hier bekomme ich einen vorzüglichen Cappuccino mit feinem Milchschaum serviert. Erfurt lässt sich bestens genießen!

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Zu der Reise durch Thüringen, die neben Eisenach und Weimar auch den Besuch von Erfurt umfasste, hat mich die Thüringer Tourismus GmbH eingeladen. Die Krämerbrückentrüffel habe ich selbst entdeckt und aus eigenem Antrieb gekauft und genüsslich verzehrt.

Hier gibt es weitere Beiträge über Thüringen:
Küsschen aus Stein in Eisenach
In Weimar sind sogar die Wände schlau

8 Replies to “Besuch in Erfurt mit Genuss

  1. Ich war zum krämerbrūckenfest in erfurt. Immer ein ausflug wert. War auch in diesem kaffee zum verweilen. Super lecker. Überzeugt euch selber und fahrt mal hin. Lg britt

  2. Ich bin seit einem Jahr Erfurterin und liebe diese Stadt! :)
    Das Café kenne ich allerdings noch nicht, danke für den super Tipp!
    Viele Grüße

  3. Ach ja, meine alte Heimat. Ich muss unbedingt mal wieder nach Erfurt fahren.
    Gibt es das Drogerie-Bistro wirklich schon seit 1990? Ich habe 20 Jahre in Erfurt gelebt und kenne es nicht. Entweder ich bin dort immer blind vorbei gegangen oder das gibt es erst seit ein paar Jahren.
    Viele Grüße
    Sebastian

    1. Hallo Sebastian,
      ich habe mit der Inhaberin des Drogerie-Bistros gesprochen und auch einen kleinen Info-Zettel über das Bistro von ihr bekommen. Da steht es auch so drin. Das stimmt also. Na, dann ist das ja ein Grund, dass Du bald mal wieder in die alte Heimat fährst und dort einkehrst!
      Viele Grüße, Meike

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