Schnell, schnell, die Sandalen ausziehen und die Füße in den Sand. Ich bin wieder an der Nordsee! Der Strand ist breit in Ostende. Ich stapfe Richtung Meer, die Sandkörner rieseln zwischen die Zehen. Dann wird der Boden allmählich fester und kühler. Kleine Muschelstücke pieksen unter den Fußsohlen. Das Meer liegt ruhig da an diesem heißen Sommertag. Flache Wellen bringen es nur auf ein bisschen Geplätscher am Saum. Eine Welle wagt sich ein Stück weiter vor und gluggert mir ihr kühles Wasser über die Zehen. Das tut gut. Meine Füße sinken noch weiter in den karamellfarbenen Sandpudding ein. Hier stehe ich also endlich am Strand von Ostende, und ein Wochenende in dieser Stadt liegt vor mir.
Mein Wunsch, Ostende zu besuchen, besteht schon lange. Er kam bereits im Jahr 2008 auf, als das Von der Heydt-Museum in meiner Heimatstadt Wuppertal eine große Ausstellung zu dem Maler James Ensor zeigte. Die ausdrucksstarken Gemälde und Zeichnungen des 1860 in Ostende geborenen Künstlers haben mich fasziniert. Die Arbeiten erzählen vom Leben auf den Straßen und am Strand, zeigen sonderbare Gestalten und Personengruppen, oftmals auch bedrohlich wirkende Menschenmassen. Morbide, surreale Motive wie Totenkopf, Skelett und Gespenster, grotesk anmutende Masken und Fratzen durchziehen dabei die Bilder. Es ist der Schrecken, das Unheimliche, das den Künstler reizt. Seine Gemälde erstrahlen meist in hellen, leuchtenden Farben. Sie zeigen ebenso wie die Papierarbeiten das Skurrile, das Abgründige und tragen dabei einen feinen ironischen Zug. Sie hinterlassen einen verstörenden Eindruck, haben eine Wirkung, der man sich kaum entziehen kann. Die Bilder von Ensor kann ich hier aufgrund des Urheberrechts nicht zeigen. Aber sie lassen sich bei Google schnell finden. Ein James Ensor Online-Museum zeigt viele seiner Werke. Es lohnt sich, dort zu stöbern.
Im Zusammenhang mit der beeindruckenden Wuppertaler Ausstellung habe ich damals auch vom Ensor-Haus in Ostende erfahren. Das einstige Wohnhaus des Malers mit vielen originalen Einrichtungsgegenständen und mitsamt dem Souvenirladen seines Onkels und seiner Tante ist erhalten geblieben und dient heute als Museum. Zu James Ensor nach Hause gehen – die Vorstellung hat mich nach Ostende gelockt. Endlich bin ich also hier. Doch den Besuch im Ensor-Haus hebe ich mir für den nächsten Tag auf, frisch und ausgeruht werde ich nach dem Frühstück zum Haus des Malers an der Vlaanderenstraat traben. Jetzt bleibe ich erstmal am Meer.
Ich stapfe vom Strand zurück zur Promenade, die sich stolz und breit zwischen Stadt und Strand entlang zieht. Vor mir liegt der Kursaal, ein markantes Gebäude mit breiter Glasfront, das aus den 1950er Jahren stammt. Es steht an exponierter Stelle, denn hier macht die leicht erhöhte Promenade einen Bogen und sorgt dafür, dass der Besucher einen besonders guten Blick hat – auf den Strand und das Meer, aber auch auf den weiteren Verlauf der Promenade und die Häuser, die sich dort aneinanderreihen. Genau an diesem Punkt hat James Ensor auch gern gestanden. Eine Fotografie zeigt ihn, wie er dort für die Kamera posiert. Allerdings steht er zu seiner Zeit noch vor einem Vorgänger-Gebäude des Kursaals, das mit diversen Türmchen und Verzierungen eher wie ein kleines Schloss aussah. Ensor liebte es, auf das Meer zu blicken und das sich ständig verändernde Licht und Farbspiel am Himmel und auf der Wasseroberfläche zu beobachten.
Ebenso gerne hat der Künstler aber auch die Menschen betrachtet, die auf der Promenade flanieren und sich am Strand vergnügen. Mit seinem aufmerksamen Blick studierte er das rege Treiben und sammelte Material für seine Bilder, in denen er das gesellschaftliche Leben darstellte und atmosphärisch zuspitzte. Vor dem Kursaal ist ein besonders guter Platz für Blicke in alle Richtungen. So stehe ich also auch dort und denke an Ensor, seine Bilder und an seinen Blick auf Ostende.
Am frühen Abend drängen sich die Wolken immer dichter aneinander, es sieht nach Gewitter aus. Ich kehre in eins der Restaurants an der Promenade ein und bestelle Seezunge. Die wird mit Pommes und Salat serviert. Dazu ein frisch gezaptes Bier – das ist jetzt genau das Richtige! Dann bummele ich gemütlich über die Promenade zum Hotel Palace Thermae zurück. Das große, sandfarbene Gebäude im Art Deco-Stil liegt ein Stück abseits vom Zentrum, thront aber direkt an der Promenade. Es ist ein traditionsreiches Hotel. Es wurde 1933 durch König Albert I. von Belgien eingeweiht und lockte zu dieser Zeit insbesondere mit bedeutenden, sehr gefragten Thermenanlagen. Noch heute kündet das Hotel von der Pracht der alten Zeiten, zeigt dabei aber auch einen leicht melancholischen Charme.
Mein Zimmer liegt im ersten Stock. Dort befindet sich vor dem etwas zurückgesetzten mittleren Gebäudeteil eine kleine Aussichtsterrasse. Ein abgetrenntes Stück davon gehört zu meinem Zimmer. Von dort habe ich einen hervorragenden Ausblick auf den Strand, das Meer und seitlich auf die Promenade bis zum Kursaal. Das ist wahrlich königlich! Ich trete hinaus und beobachte von dort das Spiel aus Licht und Farben, das die Sonne und die düsteren Regenwolken bei ihrer Begegnung entstehen lassen. Die Wasseroberfläche leuchtet in goldener Farbe. Ein Spektakel, das da produziert wird – es hätte Ensor auch begeistert. Schon längst habe ich den Maler als imaginären Begleiter an meiner Seite und schaue mit seinem Blick auf die Stadt und das Meer. Dann fängt es an zu donnern, Blitze zucken am Himmel. Der Regen prasselt auf die Holzplanken der Terrasse und zwingt mich zur Flucht ins Zimmer.
Beim Frühstück in der Brasserie im Erdgeschoss schaue ich durch den vorgelagerten Säulengang hindurch auf das Meer. Es sieht nach Regen aus. Da passt es, dass nun erstmal mein Museums-Besuch ansteht. Ich laufe die Promenade entlang, bis ich von da direkt in die Vlaanderenstraat abbiegen kann. Hier im Geschäftsviertel herrscht mächtig Einkaufstrubel am Samstagvormittag. Auffallend ist, dass sich ganz unterschiedliche Gebäude in den Straßen von Ostende aneinanderfügen. Hübsche, teils sehr gut restaurierte Gründerzeithäuser mit Giebeln, Erkern, Balkonen und Voluten finden sich da, auch ältere Backsteingebäude, vereinzelt auch Jugendstil-Fassaden mit kühnen geschwungenen Bögen. Eingerahmt werden diese meist schmalen Bauten von breiteren Häusern mit schmucklosen Fronten, dabei sind auch so manche Alufassaden aus den 1970er Jahren. Dazu gesellen sich hin und wieder moderne Objekte mit großen verspiegelten Flächen. Es ist ein wild zusammengewürfelter Häusermix, der auf den ersten Blick dem Auge nicht gerade schmeichelt und doch mit der Zeit seinen herben Charme geltend machen kann. Denn es ist es spannend, ihn zu erkunden, es gibt immer wieder neue Kombinationen und Kontraste zu entdecken.
Von der Promenade kommend ist es nicht weit zum Ensor-Museum. Ich überquere nur einmal die breite Van Iseghemlaan, dann sehe ich schon auf der linken Seite das altmodische Haus mit der tannengrünen Holzverkleidung im Erdgeschoss. Hier im vorderen Teil der beliebten Einkaufsstraße ist es noch etwas ruhiger. Die meisten Passanten ziehen an dem Gebäude achtlos vorbei. Doch bei einigen weckt es auch Neugier. Ein kleiner Junge zerrt an dem Arm seiner Mutter und zieht sie zu dem Schaufenster, in dem Modelle von Segelbooten, diverse Muscheln, Seesterne und ein ausgestopfter Alligator zu sehen sind. “Mama, hier gibt es Muscheln, bekomme ich jetzt eine? Hast du mir versprochen”, ruft er im fordernden Ton und verstummt dann abrupt, als er den Aligator erblickt, der hier nun schon seit vielen Jahrzehnten das Maul aufsperrt. Die Mutter schaut irritiert auf das Haus, das zwar wie ein Geschäft aussieht, aber offenbar doch keins ist. Dann sieht sie die Aufschrift Ensor-Museum. Es dauert eine Weile, bis sie ihrem Sohn erklärt hat, warum sie hier keine Muschel kaufen können, und nein, den Aligator auch nicht. Nur mit dem Versprechen eines sofortigen Muschelkaufs in einem Geschäft an der Promenade kann die Mutter ihren Sohn losreißen. Ich hingegen bleibe hier und gehe in dieses ganz besondere Gebäude hinein.
Ich drücke die Messingklinke hinunter, öffne die Tür, und daraufhin ertönt eine Klingel mit lautem, schepperndem Ton. Diese geräuschvolle Tür muss eine Zeitmaschine sein. Denn mit ihr tritt man in die Welt des frühen 20. Jahrhunderts ein. In dem langgezogenen Ladenraum ziehen sich dunkle graublaue Holzschränke mit Glastüren und Regale bis zur Decke hoch. Darin finden sich wiederum Schiffe und Muscheln, auch Totenschädel, Fächer und allerhand anderer Kleinkram. Auffallend sind die vielen bunt bemalten Masken mit stark überzeichneten Gesichtszügen, die hier drapiert sind. Zum Karneval von Ostende boten sie offenbar beliebte Verkaufsware. Zahlreiche präparierte Kugelfische baumeln zudem unter der Decke. Das Faszinierende an diesem Raum ist, dass die nahezu komplette Ausstattung noch original so verblieben ist wie zu Ensors Zeiten. Der Künstler hatte das Haus mitsamt Laden von seiner Tante geerbt. Er zog dort im Jahr 1916 ein. Da war er schon 56 Jahre alt. Dort lebte er dann bis zu seinem Tod im Jahr 1949. Ensor selbst hatte beim Einzug kein Interesse, den Laden weiterzuführen. Doch er liebte ihn sehr. Denn auch seine Eltern hatten solch ein Geschäft einst geführt und für unvergessliche Eindrücke beim jungen Ensor gesorgt. Deshalb beließ der reife Künstler nun in dem geerbten Laden alles so, wie er es übernommen hatte und bezog selbst die oberen Stockwerke. So kommt es, dass dieses Kunstmuseum mit dem alten Laden heute eine Einheit bildet. Abgesehen von kleinen Sonderausstellungen im Zwischengeschoss zeigt es zwar keine Originalwerke des Künstlers, aber es bietet eine ganz besondere Reise in die Vergangenheit.
Vorsichtig gehe ich weiter in den Laden hinein, fast habe ich Angst, die Stimmung der alten Zeiten zu vertreiben. Doch die lässt sich gar nicht stören, sie ist schließlich fest mit den Räumen verbunden. Im hinteren Raum im Erdgeschoss hängen der schwarze Mantel und Zylinder des Künstlers an einem Garderobenständer in der Ecke, als wäre der Maler erst kurz vor mir nach Hause gekommen, und als käme er gleich die Treppe hinunter. Denn er hat ja die Schelle der Tür gehört – ja, auch die ist noch original von damals, das bestätigt mir Museumsmitarbeiterin Anne-Marie Thibaut, die hinter dem alten Verkaufstresen steht und die Museumstickets verkauft. Dort holt sich Nina, Kunststudentin aus Düsseldorf, gerade ihre Eintrittskarte. Auch sie ist extra für das Ensor-Haus nach Ostende gekommen und verbringt nun ein Wochenende am Meer.
Ich gehe die Treppe hinauf. Ein großer Spiegel mit Goldrahmen hängt dort. Seine Spiegelfläche ist dunkel eingetrübt und fleckig und erzählt von den alten Zeiten. Ich zücke mein iPhone, denn mich lädt der Spiegel natürlich gleich zu einem Selfie ein. Nach einem kurzen Stopp in der Zwischenetage mit kleiner Sonderausstellung und Filmvorführung trete ich endlich ein Stockwerk darüber in Ensors Wohnzimmer ein. Der Blaue Salon – ich halte die Luft an, als ich hineingehe. Hier bin ich dem Künstler und seinem Leben noch näher. Die nachtblaue Tapete, der dicke Wollteppich mit buntem Muster, dunkle Holzmöbel, ein curryfarbenes Sofa und großformatige Gemälde prägen den Raum. Die Bilder sind nur Repliken, aber sie hängen in originaler Größe an Ort und Stelle wie einst. Helles Licht strömt durch die Gardinen, und doch ist es leicht dunkel im Raum, und die satten Farben glühen wie von innen heraus. Auch hier hängen Masken an den Wänden. Vor dem Fenster steht zudem eine kleine Staffelei.
Über dem großen runden Holztisch in der Mitte hängt ein Kronleuchter. Ihn ziert als zusätzliches Anhängsel eine große versilberte Kugel, die den sie umgebenen Raum wie in einem Fischauge spiegelt. Die hellen Flächen der Fenster sind darin zu sehen, der bunte Teppich und der Besucher selbst, der hineinschaut. Auch Ensor liebte bereits Selfies und hat gerne mit dem Effekt der Spiegelung in den Dingen gespielt. So hat er auch sein Abbild einst in dieser Kugel fotografieren lassen. Ich kenne diese alte Fotografie und freue mich, die Kugel nun im Original zu sehen. Natürlich zücke ich auch hier erfreut mein iPhone für ein Selbstportrait.
Immer wieder streife ich dann langsam um den Tisch herum, um den Raum von allen Seiten zu betrachten und weitere Details zu entdecken. Auf dem Kaminsims steht ein markantes Ensemble: Auf dem Hals einer chinesischen Vase thront ein menschlicher Schädel, der bereits in den Farbton von Leder nachgedunkelt ist. Der Totenkopf trägt einen alten Damenhut, der mit erschlafften Stoffblumen und einer rostroten Feder geschmückt ist. Dann fällt mir der Hocker vor dem Harmonium auf – er ist aus dunklem Holz in Muschelform geschnitzt. Ensor hat gerne auf diesem Instrument oder auch auf dem Klavier an der gegenüberliegenden Wand musiziert und sogar auch komponiert. An der Wand hinter dem Harmonium zieht sich bis zur Decke hinauf das Gemälde “Einzug Christi in Brüssel”. Sein visionäres Monumentalbild einer durch die Straße ziehenden Menschenmasse von 1888 hat Ensor einst hier in seinem Wohnzimmer platziert. Das Originalwerk befindet sich heute als prominentes Ausstellungsstück im Paul Getty Museum in Los Angeles. Auch wenn das Ensor-Haus keine originalen Gemälde zeigt, hat es so viel authentische Atmosphäre zu bieten, wie sie sich nur selten in einem Kunstmuseum findet. Fast taumele ich durch die Räume, bleibe lange und schaue.
Als ich am frühen Mittag wieder aus dem Museum herauskomme und somit ins heutige Ostende zurückkehre, stelle ich fest, dass es regnet. Doch das macht mir nichts, denn ich brauche jetzt sowieso erstmal eine koffeinhaltige Stärkung und eile daher ins nächste Café. Doch der Schauer ist bald vorbei. Plötzlich reißt es auf, der Himmel ist hellblau, die Sonne scheint und das Meer glitzert. So schnell kann sich das ändern an der See. Auch das hat Ensor hier geliebt, da bin ich mir sicher. Mit ihm bin ich jetzt noch zu einem Rundgang durch seine Stadt verabredet. Dafür treffen wir uns im Leopoldpark, denn dort beginnt der digitale Rundgang “Der Duft von Ostende”, der von Tourismus Ostende angeboten wird. Zuvor gehe ich also rasch in die Monacoplein zum Tourismusbüro und hole mir dort für die digitale Stadtführung einen entsprechend präparierten iPod ab. Mit einem solchen können sich die Besucher von James Ensor durch die Stadt führen lassen. Dort wo im Leopoldpark die Büste des Künstlers steht (Foto siehe oben), geht es los. Ich setze den Kopfhöhrer auf und starte die Datei für die erste Station. Der Maler stellt sich vor und lädt dazu ein, ihn auf einem seiner täglichen Spaziergänge zu begleiten. Alte Bilder von der Stadt werden dazu auf dem Display eingeblendet, die an jedem Punkt mit dem heutigen Anblick zu vergleichen sind. Ensor erzählt von seinem Ostende, wie es damals war und auch, was heute zu sehen ist. Das ist spannend und sorgt für viele neue Ansichten. Damit lohnt sich der Rundgang nicht nur für Kunstinteressierte, sondern für alle Besucher, die Ostende besser kennenlernen möchten. Etwa 90 bis 120 Minuten soll der Rundgang in etwa dauern, so die Angabe auf dem zugehörigen Flyer. Doch ich brauche etwa 3 Stunden dafür. Denn ich nehme mir Zeit zum Verweilen. Es gibt so viel zu sehen, zu fotografieren und es ist schön, immer mal wieder Innezuhalten, aufs Meer zu schauen und die Nase in die Sonne und die frische Seeluft zu halten – und so den Duft und das besondere Flair von Ostende aufzunehmen.
Nach diesem intensiven Tag mit Ensor habe ich noch eine weitere Portion am nächsten Tag im Programm. Denn Originalwerke des Künstlers gibt es zum Glück auch in Ostende zu besichtigen. Sie hängen im MuZee, dem städtischen Kunstmuseum, das eine bedeutende Sammlung belgischer Kunst von 1850 bis heute zeigt. Neun Gemälde, ein Aquarell und einige Papierarbeiten von Ensor sind dort zu sehen und komplettieren den Eindruck aus seinem Wohnhaus. Dabei bietet sich für mich dort noch eine ganz besondere Überraschung. Es ist ein Selbstportrait von Ensor, das mir bereits von Abbildungen bekannt ist. Doch jetzt sehe ich etwas an dem Gemälde zum ersten Mal: Der Hut, den der Maler auf diesem Bild trägt – es ist genau jener aus dem Blauen Salon, der heute auf dem Totenkopf ruht. Ob Ensor das Ensemble schon damals, nachdem er das Portrait malte, so in seiner Wohnung drapiert hat und sich so sein persönliches memento mori, also das Gedenken des Todes schuf? Das ist gut vorstellbar. Denn es gibt von Ensor beispielsweise auch ein Selbstportrait an seiner Staffelei, auf dem er sich an der Stelle seines Kopfes einen Totenschädel malte. Endlich in Ostende – das bekommt so nochmal eine weitere Bedeutung. Der Endlichkeit des Lebens und der Abgründigkeit der Existenz war sich der Künstler immer bewusst.
Gedankenvoll laufe ich nach dem Museumsbesuch durch die Straßen von Ostende. Es ist wolkenverhangen, und ein starker Wind weht. Also ab ans Meer, dem ewig bewegten, sich ständig wandelnden Element. Ich laufe zur Mole, vorbei an dem modernen Skulpturen-Ensemble von Arne Quinze, den knatschroten “Rock Strangers”, und von daaus weiter hinaus auf die Mole. Die Wellen rauschen und drängen machtvoll an den Strand, der Wind weht, ich lasse mich durchpusten und schaue auf die Stadt, die mich in kürzester Zeit so viel hat erleben lassen.
Ostende ist eine Stadt für die Liebe auf den ersten und den dritten Blick. Die erste Liebe gehört bei mir dem Meer. Immer. Ich höre dazu noch, was Ensor sagt: “Die See gibt mir alles: Energie, Trost, Freude, Respekt, Ruhe.” So hatte es seine freundliche Stimme während des Rundgangs formuliert. Den zweiten Blick, den braucht es dann, um genauer hinzuschauen beim Spaziergang durch die Straßen von Ostende, um die verschiedensten, bunt gemixten Eindrücke und Anregungen wahrzunehmen und wirken zu lassen. Es ist eine herbe Mischung, die herausfordert und fasziniert. Und wenn dann der Blick von der Mole auf die Häuser von Ostende geht und damit wieder zurück vom Meer auf die Stadt – dann ist sie da, die Liebe auf den dritten Blick. Wie gut, dass ich mir endlich Zeit für Ostende genommen habe. Und diesmal darf es nicht so lange dauern, bis ich wiederkomme.
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Weitere Informationen zu Ostende
Das James Ensor-Haus liegt an der Vlaanderenstraat und hat mittwochs bis montags von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 2 Euro, ermäßigt 1 Euro.
Im Mu.Zee, dem Kunstmuseum an der Romestraat 11, sind ergänzend dazu Originalwerke von James Ensor zu sehen. Weitere Infos zum Ensor-Haus und zum Mu.Zee: www.muzee.be
Für die Ensor-Tour, die digitale Stadtwanderung, können sich Interessierte für eine Gebühr von 7 Euro einen entsprechenden iPod bei Tourismus Ostende an der Monacoplein 2 ausleihen. Der Besuch des Ensor-Hauses und des Mu.Zee ist dann im Preis inbegriffen. Für Inhaber des Oostende City Pass ist die Tour gratis. Weitere Infos zum City Pass: www.visitoostende.be(Stand der Infos: August 2014)
Im James Enor Online-Museum lassen sich zahlreiche Bilder von dem Maler und Zeichner anschauen, dazu finden sich dort Fotografien von ihm sowie viele weitere Informationen.
Zu dem Wochenende in Ostende mit Übernachtungen im Hotel Thermae Palace hat mich Tourismus Flandern-Brüssel eingeladen.
Mit diesem Beitrag habe ich am Flandern Blog Award 2014 für Reiseblogger in der Rubrik Kunst & Kultur teilgenommen und gewonnen. Ich freue mich sehr darüber! #flandernblogaward
Weitere Artikel zu Flandern auf anderen Blogs
Gerhard hat in seinem Blog “Anders reisen” mehrere Beiträge zu Ostende veröffentlicht. Hier der Link zu einem, die anderen sind dort auch leicht zu finden:
Belgian Coast Greeters: Erik zeigt mir „sein“ Ostende
Nicole von “Unterwegs & Daheim” hat ein Wochenende in Gent verbracht und diesen Artikel geschrieben: Belgien – ein Wochenend Date mit Gent.
Auch Jessica von “Fernweh und so” berichtet über das Städtchen:
Hach Gent, du hast mich verzaubertDa muss ich also auch unbedingt bald mal hin!
Liebe Meike,
du hast mich überzeugt, dass nächste Mal gehts von Gent aus noch weiter nach Ostende, im Schlepptau das Buch Ostende.
LG Nicole
Und ich fahre beim nächsten Mal unbedingt auch nach Gent!
Viele Grüße, Meike
Liebe Meike,
wir sind deiner Empfehlung gefolgt und haben an unseren Brüssel-Trip einen Tag in Ostende angehängt. Und haben alles so angetroffen, wie von dir bestens beschrieben. Das Hotel ist sicher das schönste am Platz (wenn auch die Fassade leicht bröckelt), das kleine Ensor-Museum mit seinem morbiden Charme ist zauberhaft, und für den Blick aufs Meer und um diese Zeit fast leeren Strand lohnt es sich allemal. Um den “interessanten Architekturmix” in dieser total verbauten Stadt zu würdigen, werde ich aber wohl mehr als einen dritten Blick brauchen… Und noch ein kleiner Tipp für Nachfolger: Die 20 Euro fürs Frühstück im Hotel finde ich trotz des wirklich sehr schönen Cafés mit Meerblick übertrieben. Ein bisschen weiter unten an der Promenade gibt’s ein üppiges Frühstück mit frisch aufgebackenem Baguette, Croissant, Schinken, Käse, Marmelade, Orangensaft und Kaffee für 11,50 Euro. Liebe Grüße, Anne-Kathrin
Liebe Anne-Kathrin,
das freut mich sehr, dass ich Euch zu dem Abstecher nach Ostende angeregt habe und es Euch gut gefallen hat. Vielen Dank für die Rückmeldung und die interessante Ergänzung zu meinem Artikel!
Liebe Grüße, Meike
Ostende – für immer
Ostende, du traumhafte Stadt am goldenen Strand,
wo ich vor vierzig Jahren meine neue Freiheit fand.
Der weite, goldene Strand – die Verbindung zwischen Land
und Meer –
beeindruckte mich damals so sehr:
Den ersten Anblick vergesse ich mein Leben lang nicht mehr.
Bin seitdem oft wieder in Ostende gewesen,
habe die Stadt für mich neu entdeckt,
viel bin ich durch die interessante Umgebung gefahren.
Kunst und hübsche Restaurants wurden von mir “gecheckt”.
So geht das schon seit etlichen Jahren.
Die Erinnerung an Ostende werde ich in mir bewahren.
(c) Ingrid-Uta Gronemeier – 2014 –
Hi Meike, toller Bericht mit dem Du verdient gewonnen hast. Und wieder ein Stückchen Welt mehr, dass auf meiner Liste steht: Ostende! Feier schön! Gudrun
Herzlichen Dank! Ich freue mich riesig über den Fladern Blog Award für diesen Beitrag. Und das feiere ich natürlich kräftig!
Wir haben bereits seit über 20 Jahren ein Studio in Middelkerke am Zeedeich. Es gefällt uns sehr gut dort.
Leider sind wir aus Zeitgründen nur ca. 2 Wochen im Jahr am Meer. Was uns ärgert, sind die hohen Steuern. Wir müssen an drei Stellen (belg. Staat, Gemeinde Middelkerke, Provincie West-Vlaanderen) Steuern bezahlen, zusammen über 1100,00 € , und es wird jedes Jahr mehr. Gibt es keine Möglichkeit, die Steuern zu mindern? Wir sind beide, meine Frau und ich, schwerbehindert und Rentner.
Mit freundlichen Grüßen
Anneliese und Eugen Heucher
Hallo Herr Heucher,
ein Studio in Middelkerke am Zeedeich zu haben – das ist sicherlich sehr schön! Ihre Frage zu den hohen Steuern kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Damit kenne ich mich nicht aus. Da sollten Sie am besten mal bei der Gemeinde Middelkerke nachfragen und mit einem Steuerberater sprechen.
Viele Grüße, Meike Nordmeyer