Männlich oder weiblich – Windmühlen auf Fuerteventura

Molino - Windmühle auf Fuerteventura
El Molino im goldenen Abendlicht – eine der beiden Windmühlen bei Tefia auf Fuerteventura © Foto: Meike Nordmeyer

Darf ich vorstellen? Das sind Herr und Frau Windmühle. Zwei historische Windmühlen stehen am Rand des Dorfes Tefia im Landesinneren von Fuerteventura und werden aufgrund ihrer unterschiedlichen Bauart als männliche Windmühle, also Molino, und als weibliche Windmühle, Molina (Bild unten) bezeichnet. Auf Deutsch könnte man entsprechend sagen, das sind Mühlerich und Mühline. Die beiden schmucken Gebäude sind nicht mehr in Benutzung, wurden aber restauriert und mit ausführlichen Infotafeln versehen. Auf diesen wird auch die unterschiedliche Bauweise anschaulich erklärt.

Die als männlich bezeichneten Mühlen basieren auf einem zweistöckigen runden Steinbau mit einem Dachaufsatz aus Holz oder Blech. An diesem Aufsatz sind die Mühlenflügel befestigt. Dieser Mühlentyp stammt aus Kastilien und wurde im 17. und 18. auch auf Fuerteventura so errichtet. Im oberen Geschoss befanden sich auch die Mühlsteine. Das Mahlgut fiel dann über Holzschächte in den unteren Raum, wo das Mehl in Säcke gefüllt wurde. Um das Getreide zum Mahlen einzubringen, mussten das Getreide also über enge Stiegen oder Leitern hinauf ins Obergeschoss gebracht werden. Eine anstrengende Aufgabe, die von kräftigen Männern gestemmt wurde.

Molina - Windmühle bei Tefia
Die filigraner konstruierte Molina – eine der beiden Windmühlen bei Tefia auf Fuerteventura © Foto: Meike Nordmeyer

Ab dem 19. Jahrhundert wurde die Arbeit bedeutend leichter, denn dann kam ein neuer Mühlentyp auf. Der gesamte Mahlmechanismus war nun ebenerdig in einem flachen Gebäude untergebracht. Die Schlepperei auf engen Stiegen hatte ein Ende. Die Mühle konnte nun auch von weniger kräftigen Personen mit Getreide befüllt werden. Die Flügel waren an einem Holzgestell auf dem Dach befestigt. Die Windkraft wurde über ein Antriebsrad auf eine Art Verbindungsstange übertragen, die dann im Mühlenraum die beiden Mühlsteine über ein Kammrad in Bewegung setzte. Eine schlaue Erfindung, die nun auch Frauen die Bedienung der Mühlen ermöglichte. Dieser Mühlentyp wird daher als weibliche Mühle bezeichnet. Da zeigt sich also: Wer sich als Kenner*in erweisen möchte, gendert bei der Bezeichnung der Windmühlen auf Fuerteventura. Beide Mühlentypen, sowohl der Molino also auch die Molina, gibt es übrigens in verschiedenen Versionen mit vier oder sechs Flügeln.

15 weibliche und 23 männliche Windmühlen auf Fuerteventura

Auf Fuerteventura gab es einst viele Mühlen. Denn was heute mit Blick auf die karge Landschaft kaum mehr vorstellbar ist: Die Insel galt viele Jahrhunderte lang als Kornkammer der Kanarischen Inseln. Dort wurde das Getreide angebaut, das für die Ernährung des gesamten Archipels erforderlich war. Faktoren wie die Überweidung und übermäßige Abholzung haben schließlich zur Entstehung der heutigen kargen Landschaft der Insel beigetragen.

Auschnitte aus den Infotafeln zu den beiden Windmühlen bei Tefia
Ausschnitte aus den Infotafeln zum Molino und zur Molina bei Tefia – sie zeigen eine gute schematisierte Darstellung der unterschiedlichen Bauweisen. © Collage: Meike Nordmeyer

Die zahlreichen Windmühlen auf Fuerteventura erzählen noch von den alten Zeiten. 15 weibliche und 23 männliche Mühlen stehen heute noch dort. Einige davon wurden schön restauriert und können entlang einer Fahrt vom Norden durch die Inselmitte erkundet werden. Eine solche Tour beginnt am besten in Corralejo ganz im Norden der Insel mit seinen drei Windmühlen und führt erstmal bis fast nach El Cotillo, denn kurz davor in El Roque steht eine weitere schöne Windmühle. Von daaus führt die Route nach Lajares, wo eine männliche und eine weibliche Mühle nah beieinander stehen. Eine wichtige Station bilden auch die Windmühlen von Villaverde bei La Oliva. Von daaus geht es weiter zu den beiden hier gezeigten Mühlen bei Tefia, dann zu einer in Llanos de la Conception und mehrere sind dann auch in Antigua anzuschauen. Ein weiteres Exemplar findet sich in Valles de Ortega und von daaus geht es über die Schnellstraße FV20 bis nach Tiscamanita, wo nicht nur ein schön restaurierter Molino, sondern auch ein zugehöriges Mühlenmuseum zum Besuch einlädt. Damit sind jetzt längst noch nicht alle Windmühlen der Insel genannt, aber die wohl wichtigsten, denn die am besten erhaltenen und restaurierten sind dabei und sie bilden genügend Anlaufpunkte für eine aussichtsreiche Tour auf der Mühlenroute.

In den Windmühlen auf Fuerteventura wurde einst vor allem Getreide zu dem Mehl mit dem schönen Namen Gofio verarbeitet. Gofio ist ein traditionelles Mehl der Kanaren, das nach wie vor viel verwendet wird, sowohl für herzhafte Gerichte, zum Beispiel für kleine Klöße in einer Suppe, oder auch für süße Cremes zum Dessert. Typisch für das Mehl ist, dass es aus zuvor geröstetem Getreide gemahlen wird, und zwar ursprünglich vor allem aus Mais, Weizen oder Gerste. Durch die Röstung kann es auch roh verarbeitet und verzehrt werden. Das Mehl erfreut sich auch in der modernen Küche immer mehr an Beliebtheit und es  werden längst auch andere Versionen angeboten, in einem Bioladen in Morro Jable entdeckte ich Gofio aus Hafer und auch eins aus Dinkel und habe mir sehr erfreut darüber direkt jeweils eine Packung mitgenommen.

Getreide-Mühle auf Fuerteventura
Die männliche Windmühle mit vier Flügeln gehört zum Mühlenmuseum in Tiscamanita. Regelmäßig wird mit dieser noch Getreide zu Gofio gemahlen. © Foto: Meike Nordmeyer

Das Mühlenmuseum in Tiscamanita trägt den stattlichen Namen Centro de interpretacion Los Molinos und ist einen Besuch wert. Ich habe ich es bereits auf einer vorherigen Reise besichtigt. Es informiert über die Geschichte des Getreideanbaus auf Fuerteventura, über die Entwicklung der Mühlentechnik und natürlich über das Gofio-Mehl. In dem Museum habe ich auch zuschauen können, wie eine caramelfarbene Masse aus dem in der Museumsmühle zuvor gefertigten Gofio-Mehl zubereitet wurde. Die Mitarbeiterin des Museums hat diese aus Gofio, Wasser, Olivenöl, Zucker und etwas Salz zu der Masse geknetet. Die Besucher:innen konnten ihr dabei erst zusehen und dann kleine Stücke davon kosten. Erstaunlich gut schmeckten diese Energiesnacks. Denn die sind nahrhaft und sättigend, enthalten Vitamine, Proteine und Mineralien. Das in der Museumsmühle gefertigte Gofio aus Weizen lässt sich dort auch kaufen. Mein Tipp: unbedingt mitnehmen! Es ist ungesalzen, hat einen fein nussigen Geschmack und eignet sich hervorragend für eine süße Creme als Dessert. Mehr über das Museum, über Gofio und seine Vorzüge habe ich in diesem Blogartikel geschrieben. Darin findet ihr auch ein von mir entwickeltes Rezept für ein mit Gofio angerührtes Dessert. Das schmeckt köstlich und zaubert nach der Rückkehr von Fuertentura schöne Urlaubserinnerungen herbei.

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Die Fotos von den Windmühlen bei Tefia habe ich auf einer privaten Gruppenreise nach Fuerteventura mit dem Anbieter Sunwave während einer der Ausflüge über die Insel fotografiert. Die Reise und alle damit verbundenen Kosten habe ich selbst finanziert. Eine Einladung bestand nicht.

Blogartikel zum Weiterlesen

Über das Mühlenmuseum in Tiscamanita + Rezept für eine Gofio-Creme
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Mehr zum Centro de interpretacion Los Molinos in Tiscamanita – Infos auch auf deutscher Sprache

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